Mehr zu Taiji und Qigong

Unter dieser Rubrik finden Sie einige Artikel, die Taijiquan und Qigong etwas eingehender vorstellen:

- Taijiquan - Yin und Yang in Bewegung - Eine Einführung

- Im Reich der Bären, Adler und Pusteblumen - Qigong für Kinder

- „Jetzt spüre ich wieder meine Kraft“ - Qigong im Kindergarten

- Qigong in der Schule – Möglichkeiten und Chancen

- Taijiquan mit Kindern

 

 

Taijiquan – Yin und Yang in Bewegung 

Von Almut Schmitz

 

Eine Uferpromenade in morgendlicher Dämmerung, am Geländer dehnen sich ein paar Chinesen, daneben bewegt sich eine ganze Gruppe in fließendem Gleichklang. Etwas weiter hinten sieht man einzelne jüngere Männer, die in schnellerem Rhythmus ihre Bahnen ziehen. Zwei ältere Frauen vollführen gemeinsam mit aneinandergelegten Handgelenken kreisförmige Bewegungen. – Solche Bilder kennt inzwischen wohl jeder aus dem Fernsehen, kaum ein Bericht über China, Taiwan oder Hongkong lässt sie sich entgehen.

Was zahlreiche ChinesInnen zu unserem Erstaunen früh morgens in Parks und auf Plätze treibt, sind Taijiquan- und Qigong-Übungen, mit denen sie ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden stärken. In der chinesischen Medizin spielt ausgewogene Bewegung neben der Arzneiheilkunde, der Akupunktur, der Massage und der Ernährungslehre eine wichtige Rolle. 

Allerdings geht es gerade beim Taijiquan (in alter Umschrift Tai Chi Chuan) nicht nur um Gesundheit. Diese Bewegungskunst ist ursprünglich als Kampfkunst entstanden und hat gleichzeitig mit seinen gesundheitsfördernden und meditativen auch sportliche Seiten. Dabei kann die Belastung immer individuell angepasst werden. Von sanften, harmonisch fließenden Bewegungsabläufen bis hin zu Wettbewerben im Zweikampf bietet sich ein weites Feld von Einzel- und Partnerformen sowie Übungen mit Waffen. 

Gerade die Waffenformen, aber auch einzelne traditionelle Formen, die mit bloßen Händen ausgeführt werden, insbesondere in der Familientradition des ursprünglichen Chen-Stils, entfalten eine starke Dynamik. Dabei steht jedoch immer innere Kraft, die aus dem Zusammenfließen von äußerer Bewegung, innerer Energie und Vorstellungskraft entsteht, im Vordergrund. Die zentrale Idee für die Selbstverteidigung lautet, dass nicht Kraft gegen Kraft gesetzt, sondern eine einwirkende Kraft abgeleitet und zum Angreifer zurückgeführt wird. Durch diese sehr rationelle Art, mit der eigenen Kraft umzugehen, soll es möglich werden „mit vier Unzen tausend Pfund zu bewegen“.

Grundlage für die effektive Selbstverteidigung – und ebenso für die positive Wirkung auf die Gesundheit – ist das harmonische Zusammenspiel der komplementären Kräfte Yin und Yang. So wie sie sich im Großen als Nacht und Tag, Winter und Sommer, Kälte und Hitze, Berg und Tal ... manifestieren, sind sie auch im Mikrokosmos Mensch zu finden und drücken sich beispielsweise als Einatmen und Ausatmen, Ruhe und Aktivität, Sammlung und Ausdehnung, Zurückweichen und Vordringen, Aufnehmen und Abgeben, Erdung und Aufrichtung aus. Yin und Yang schließen sich nie aus, sondern bedingen einander und gehen in fortwährendem Wandel ineinander über.

Wenn sie sich in einem harmonischen Gleichgewicht befinden, wie es das bekannte Taiji-Symbol ausdrückt, ist der Mensch gesund, flexibel und gelassen und kann seine Energie optimal einsetzen. Eine eindringende Kraft (Yang) wird abgeleitet (Yin) und zum Gegner zurückgeschickt (Yang).

Dieses Prinzip funktioniert hervorragend, setzt jedoch eine intensive ganzheitliche Entwicklung voraus, die eine körpergerechte Haltung und Bewegungsweise, die Wahrnehmung für sich und andere, innere Ruhe und Zentrierung schult und den Fluss der Lebensenergie harmonisiert und stärkt.

Wer nicht vom Anspruch geplagt wird, in kürzester Zeit unbesiegbar zu werden, und jenseits von Leistungsforderungen Lust auf Bewegung hat, die Körper und Geist herausfordert, kann sich beim Taijiquan auf einen immer wieder neuen und interessanten Übungsweg freuen.

Die Langsamkeit, in der man sich zumindest am Anfang bewegt, ermöglicht es, sich zu entspannen und sehr bewusst wahrzunehmen, was vor sich geht – das beugt zum einen Überlastungen und Verletzungen vor, zum anderen kann man dadurch die äußere Bewegung immer mehr mit dem inneren Energiefluss in Einklang bringen. Und je mehr wir uns mit unserer Lebensenergie verbinden, können wir auch die kosmische Ordnung und unseren Platz darin erkennen.

 

Wenn Sie mehr über Taijiquan erfahren möchten, bietet der bei a & o medianetwork erschienene Sonderband „Taijiquan für Einsteiger“ des Taijiquan & Qigong Journals einen vielseitigen Überblick. 

 

 

Im Reich der Bären, Adler und Pusteblumen - Qigong für Kinder

Von Almut Schmitz

Nicht nur erwachsene Menschen haben den Wunsch nach innerer Ruhe, Ausgeglichenheit und einem harmonischen Körpergefühl, diese Grundbedürfnisse bestehen von Anfang an. Und gerade Kinder sind der in unserer Gesellschaft herrschenden Reizüberflutung, der Hektik und Haltlosigkeit oft schutzlos ausgeliefert. Die Folgen sind bekannt: Konzentrationsstörungen, Krankheitsanfälligkeit, Aggressivität, Unruhe, Depressionen, Kopfschmerzen, chronische Übermüdung – die Liste ließe sich beliebig verlängern und die Symptome treten immer häufiger auf. 

Mit herkömmlichen Mitteln ist es schwer, der allgemeinen Diffusion entgegenzuwirken. Die meisten sportlichen Betätigungen bilden mit ihrem Leistungsanspruch weitere Stressfaktoren und sind nicht darauf ausgerichtet, ein gesundes Körpergefühl zu entwickeln. Moderne Entspannungstechniken andererseits bleiben häufig rein passiv. Qigong bietet eine Möglichkeit, den eigenen lebendigen Körper, seine Empfindungen und unterschiedlichen Möglichkeiten zu erkunden, die eigene Mitte wahrzunehmen und zu stärken, sich seiner Eingebundenheit im Kosmos bewusst zu werden, das Wechselspiel von Ruhe und Aktivität bewusst zu erleben und darüber zu einer inneren Ausgeglichenheit zu finden. Dies bildet die Basis für eine ganzheitliche Entwicklung.

Angesichts dieser Situation und natürlich auch, weil es Spaß macht, die eigenen positiven Erfahrungen mit Kindern zu teilen, haben hier und da Einzelne angefangen mit ihren eigenen Kindern oder ganzen Gruppen Qigong zu üben. Manche dieser Versuche schlugen fehl, die Kinder kasperten nur herum oder langweilten sich. Andere wiederum fanden Wege, die Kinder regelrecht zu begeistern. Sie wählten gezielt Übungen aus, die einen bildhaften Zugang bieten, indem sie zum Beispiel die Bewegungen von Tieren oder aufblühende Blumen nachempfinden. Oder sie zeigten Kindern Übungen, mit denen sie sich sammeln und energetisieren können, um sich auf Klassenarbeiten oder andere schulische Anforderungen vorzubereiten. 

Lebhafte Geschichten und anschauliche Bilder

So entstanden speziell für die Arbeit mit Kindern eine Reihe von Methoden, die bewährte Qigong-Übungen spielerisch und den verschiedenen Altersgruppen angemessen einführen. Insbesondere für kleine Kinder hat es sich bewährt, Qigong-Übungen in lebhafte Geschichten einzufügen. Die daraus entstehenden Bewegungszyklen umfassen eine vorbereitende Sammlung, schnellere und langsamere Abschnitte, Ruheübungen und nach außen gerichtete Elemente sowie ein abschließendes Sammeln in der eigenen Mitte – also immer Ruhe und Aktivität. Sie beinhalten auch Variationsmöglichkeiten, so dass man bereits bekannte Abschnitte durch neue ergänzen kann. So können sich die Kinder über Vertrautes freuen und bleiben gleichzeitig neugierig auf das, was kommt.

Für größere Kinder sollten sich die Bilder entsprechend ihrer Lebenswelt verändern, man kann sie außerdem auch mehr in ihren Fähigkeiten fordern. Mit zunehmendem Alter ist es möglich, auch interessante theoretische Hintergründe wie die Lehre von den fünf Elementen oder den Verlauf der Energieleitbahnen zu vermitteln. Ab einem gewissen Alter – das kann individuell recht unterschiedlich sein – sind dann „kindische“ Geschichten völlig uncool, daher ist bei Jugendlichen eine sachliche Vermittlung angesagt, die eher die positiven Wirkungen betont. 

Im Kontakt mit sich und anderen

Ein wesentliches Element dieses neu entstandenen Kinder-Qigong sind Partnerübungen, die unter anderem die Körperwahrnehmung intensivieren und einen achtsamen Umgang miteinander fördern. Massagen können schon in Eltern-Kind-Gruppen eingeführt werden – man kann sie ebenso wie die Übungen in Geschichten verpacken, in denen beispielsweise Teige geknetet, Kleider glatt gestrichen oder Teppiche ausgeklopft werden. Ab dem Kindergartenalter führen die Kinder solche Massagen selbst aus und lernen schnell die unterschiedlichen Qualitäten von Berührung kennen. Mit viel Spaß lernen sie achtsam miteinander umzugehen und erleben, wie wohltuend es ist, wenn einem jemand im körperlichen Kontakt seine volle Aufmerksamkeit schenkt. 

Aber man kann sich gegenseitig nicht nur massieren, sondern sich auch zusammen bewegen oder zum Beispiel spielerisch versuchen, sein Gegenüber aus dem Gleichgewicht zu bringen. Dadurch bekommt man ein Gefühl für den eigenen Stand, die Art, wie man in der Welt „dasteht“, wie man anderen gegenübertritt. Diese Themen wie auch der Umgang mit Aggressionen und die eigene Entschiedenheit lassen sich gut in Übungen aus den chinesischen Kampfkünsten erkunden. Hier ist wieder die Kreativität der AnleiterInnen gefragt. 

Bewegungsspiele für kleinere und größere Gruppen erweitern das Spektrum. Wenn ein ganzer Kreis zu einer großen Welle zusammenfindet oder als Rakete in den Weltraum startet, dehnt sich die zuvor in der eigenen Mitte gesammelte Aufmerksamkeit auf die ganze Gruppe aus und es entsteht ein starkes energetisches Feld. Sehr beliebt sind auch Zeitlupenbewegungen, bei denen in der Gruppe zum Beispiel bekannte Sportarten extrem langsam und mit voller Konzentration auf den Augenblick ausgeführt und zu Qigong-Übungen umgewandelt werden. 

Abgesehen von den allgemein positiven Wirkungen gibt es auch vereinzelte Ansätze Qigong in speziellen Problemfeldern einzusetzen. So hat es sich beispielsweise als Unterstützung bei Legasthenie bewährt, als Ergänzung in der Logopädie und auch bei Asthma, Rheuma, spastischen Lähmungen oder Krebserkrankungen bei Kindern. Die teilweise vielversprechenden Erfahrungen lassen darauf hoffen, dass weiter in diese Richtungen geforscht wird.

Insgesamt zeigt sich, dass Kinder jeden Alters sehr positiv auf Qigong reagieren. Gerade kleine Kinder merken oft erstaunlich rasch, dass es ihnen gut tut, aber auch Jugendliche, sofern sie sich darauf einlassen, nutzen die Übungen als Ausgleich zu den sonstigen Anforderungen und als gezielte Unterstützung in der Schule. Sie genießen es, ganz bei sich zu sein und ihre innere Kraft zu spüren. Und es ist den Kindern sehr bald anzumerken, wenn sie wieder in Kontakt kommen mit ihrer eigenen Mitte, wenn sie lernen ihren Körper intensiv wahrzunehmen, zur Ruhe zu kommen, ihre Aufmerksamkeit zu sammeln. Eltern und LehrerInnen stellen häufig schon nach einigen Wochen deutliche Veränderungen fest und berichten, dass die Kinder ausgeglichener wirken, sich im Unterricht besser konzentrieren können, freundlicher miteinander umgehen. 

Horst Hofmann, der als Lehrer an einer Gesamtschule in Nordrhein-Westfalen Qigong im Unterricht einsetzt und sich auch im Rahmen von Lehrerfortbildungen sehr dafür engagiert, Qigong in die Schulen zu bringen, hat die Wirkung von Qigong-Übungen anschaulich aufgezeigt, indem er das Schriftbild verschiedener SchülerInnen vor und nach dem Üben gegenüberstellte. Dabei kamen die größere Klarheit und Ruhe deutlich zum Ausdruck. Er hat außerdem festgestellt, dass die Lernfähigkeit der SchülerInnen durch regelmäßige „Qigong-Pausen“ im Unterricht erheblich zunimmt. Gleichzeitig sinkt die Krankheitshäufigkeit, was sich natürlich ebenfalls günstig auf die schulischen Leistungen auswirkt. 

Leider gibt es jedoch erst wenige Angebote für Kinder. Diese kommen oft von Personen, die bereits als LehrerInnen oder KindergärtnerInnen mit Kindern arbeiten und zusätzlich Qigong gelernt haben. Für sie bereichert das Qigong ihre Arbeit, man könnte teilweise auch sagen, es erleichtert sie. Freiberufliche Qigong-LehrerInnen tun sich schwerer mit Kindergruppen – einerseits fühlen sie sich häufig nicht gut dafür gewappnet, andererseits herrscht noch weitgehend die Vorstellung, dass Qigong etwas für Erwachsene sei, so dass es nicht leicht ist, eine Gruppe zusammenzubekommen. 

Im Rahmen der Deutschen Qigong Gesellschaft wird seit 2001 eine Ausbildung „Qigong mit Kindern“ angeboten. Sie wird geleitet von Zuzana Sebková-Thaller, die maßgeblich an der Entwicklung von speziellen Qigong-Methoden für Kinder beteiligt ist. Dadurch besteht sowohl für Menschen, die mit Kindern arbeiten, als auch für Qigong-Praktizierende die Möglichkeit, sich gezielt auf den Qigong-Unterricht mit Kindern vorzubereiten und gegenseitig Erfahrungen auszutauschen. Dabei zeigt sich, dass die Arbeit mit Kindern immer sehr viel mehr Kreativität und Spontaneität erfordert als der Unterricht mit Erwachsenen. Auch die Präsenz der LehrerInnen ist stärker gefordert. Kinder reagieren sehr direkt auf das gesamte Auftreten einer Person und merken sofort, ob sie das, was sie sagt, auch selbst verkörpert. 

Durch dieses Ausbildungsangebot und andere Initiativen wird es hoffentlich in Zukunft immer mehr Gelegenheiten geben, wie diese chinesische Art, das Leben zu pflegen, auch Kindern zugute kommt. Damit könnte ein wesentlicher Beitrag geleistet werden, die Situation von Kindern im Allgemeinen und insbesondere auch an den Schulen zu verbessern.

Die folgenden zwei Artikel geben einen Eindruck davon, wie Qigong mit Kindern in der Praxis aussehen kann. Sie sind Beispiele aus einer Fülle ganz unterschiedlicher Ansätze und Möglichkeiten, die immer von den Rahmenbedingungen, den Vorerfahrungen und der Persönlichkeit der anleitenden Person und natürlich von den beteiligten Kindern geprägt sind.

 

„Jetzt spüre ich wieder meine Kraft“ - Qigong im Kindergarten

 

Von Barbara Günther-Seggl 

Seit über drei Jahren praktiziere ich Qigong mit Kindern in einem Kindergarten in Wien, wo ich auch sonst als Kindergärtnerin arbeite. Die Freude an meinem Beruf ist nach 19 Jahren der Ausübung nach wie vor lebendig. Sie ist die treibende Kraft, die den Tag mit den Kindern in all den Tätigkeiten so bereichert. Sie ist eine unversiegbare Kraftquelle und es gelingt mir oft, mich auf mein inneres Lächeln zu besinnen, es nach außen strahlen zu lassen und alles Sein damit zu erfüllen. 

Ich bin Architektin und Gestalterin meines Lebens und dieser Verantwortung bin ich mir bewusst und übe mich ständig darin. Meine Aufgabe sehe ich unter anderem auch darin, dies den Kindern auf einfache Art und Weise weiterzugeben und dabei unterstützt das Qigong sehr. Sobald ich aus meiner Harmonie, aus meinem Gleichgewicht bin, spiegelt es mir die Kindergartengruppe so deutlich wieder. Dann heißt es im besten Fall: Zeit für kurzen Rückzug um mich wieder zu sammeln. Da reicht oft ein kurzer Gang zur Toilette, um meinen inneren Rhythmus zu spüren, den Atem, den Herzschlag und mich auf das innere Lächeln zu konzentrieren und es wieder strahlen zu lassen. Alle Werkzeuge befinden sich in mir, ich habe alles stets zur Hand und es wartet nur auf meine Aufmerksamkeit, um tätig werden zu können. 

Alles, was wachsen soll, muss ich nähren, bedarf meiner liebevollen Achtsamkeit. Seit über zwölf Jahren praktiziere ich Qigong für mich in der geordneten Struktur der verschiedenen Formen und ich erarbeitete mir dadurch eine Standhaftigkeit, Lockerheit, ein Gefühl des Getragenseins ... Zu einer richtigen bewussten Pflege der Lebensenergie wurde es für mich mit der praktischen Anwendung im Alltag - zwischendurch innehalten, sammeln, was auch innerhalb der Gruppe möglich ist, und es wirkt! 

Es wurde eine wahrliche Bereicherung für mein Tun, als ich vor mehr als zweieinhalb Jahren mit der Ausbildung Qigong mit Kindern begann. Welch tolle Sache ist es doch, nun auch Qigong mit Kindern zu praktizieren. Einmal pro Woche halte ich am Nachmittag im Kindergarten Kurse für unsere Kindergartenkinder und neuerdings auch für eine Gruppe mit Schulkindern, die vorher im Kindergarten Qigong-Kurse besucht hatten. 

Ein ganz wesentlicher Faktor dabei ist, dass innerhalb der Gruppe während des Übens eine enorme Gruppenharmonie, ein richtiges Zusammenschwingen der einzelnen Kinder entsteht. Trotz großer Achtsamkeit jedes Kindes auf sich selbst oder gerade deswegen? Die Energie ist wirklich stark und auch von Außenstehenden zu spüren. 

Viele Eltern erzählen, dass sie gerne ein wenig früher kommen, um selber einmal richtig ankommen zu können. "Es ist etwas ganz besonderes hier, wenn die Kinder vom Kurs herauskommen", berichten die Abholenden und die Kinder genießen es sichtlich. 

Da die Kinder aus unterschiedlichen Gruppen und Schulen kommen, dauert es eine Weile, bis wir eine gemeinsame Frequenz aufgebaut haben. Als Einstieg bewährt sich kurzes gemeinsames oder individuelles Bewegen - ein so genannter bewegter Austausch, den ich für meine persönliche Sammlung nütze, die eine wesentlich Rolle in der Arbeit mit Kindern darstellt. Meine Zentriertheit und Freude, das vollkommene Anwesendsein sind Voraussetzung für das Gelingen der Qigong-Einheit. 

Eine Klangschale erklingt und stimmt uns auf den gemeinsamen Beginn ein. Wir versammeln uns in der vorbereiteten Raummitte und eine Begrüßung auf chinesische Art steht am Anfang unseres Rituals. Im Sitzen oder Liegen nehmen wir unsere eigenen Rhythmen war. Jeder ganz für sich und wenn jeder bei sich ist und ein gemeinsamer Grundton vorhanden ist, beginnen wir die Klangreise in unseren Körper. Dieses Auf-sich-Ausgerichtetsein fördert die Zentrierung enorm. Durch die spielerische, lustbetonte Schulung lernen die Kinder sich von einer ganz anderen Seite wahrzunehmen. Im täglichen Umgang miteinander stelle ich oft fest, wie selbstverständlich es für diese Kinder ist, innere Erlebnisse, beispielsweise auch Schmerzen, gut zu beschreiben und wirklich ausdrücken zu können. Das ist eine große Hilfe für das Miteinandersein. Die Kinder fragen auch viel detaillierter nach, wenn es um Informationsaustausch geht. Sie haben ein waches Bewusstsein für sich selbst und nehmen viel feiner ihre Umwelt war. 

Ein Beispiel möchte ich hier anführen, dass ein Mädchen aus meiner Kindergartengruppe, die zwei Jahre begeistert den Qigong-Kurs besucht hatte, bei ihrem Schuleinstieg erlebte. Am Ende der zweiten Woche war der Leistungsdruck für sie bereits so groß, dass sie verzweifelt sagte: "Ich will meine Schultasche nicht mehr sehen!" - obwohl sie sich auf die Schule gefreut hatte. Die Mutter beschloss nach einigen Zwischenfällen die Schule zu wechseln. Ein paar Tage Pause gab ´s dazwischen, um die Freude wieder aufzubauen, und da meinte das Mädchen begeistert: "Mama, jetzt spür ich meine Kraft wieder!" Es ist doch wünschenswert solche ausdrucksstarken Kinder zu unterstützen, in der Wahrnehmung für ihr eigenes Sein und für ihre Umwelt. Das Mädchen geht nun gern in die Schule. 

Ein weiterer Bereich, der für mich ganz wichtig geworden ist, sind die tollen Partnerübungen, die die Kinder sehr lieben und die ein einfühlsames Miteinander im Alltagsleben sehr fördern. Diese Partnerübungen bestehen aus behutsamen Berührungen, Massagen, lustigen befreienden Ausklopfübungen, der Phantasie sind da keine Grenzen gesetzt. Wichtig dabei ist, dass sie sich selbst wahrnehmen und sich dann auf den Partner einstellen können. Spielerisch lernen sie dadurch das Gesetz von Ursache und Wirkung kennen. Ich trage Verantwortung für mein Tun, für mich und meine Umwelt. Was kann ich dazu beitragen, dass es meinem Freund, zum Beispiel beim Massieren, gut geht: Drücke ich zu fest, ist es unangenehm, berühre ich ihn nicht, kann er nichts spüren und er kann mich nicht wahrnehmen. Ich bestimme, was ich mache, aber es hat alles seine Auswirkungen, wirklich alles! 

Diesen Ansatz auch ins tägliche Miteinander hineinzubringen lässt ein ehrliches Gefühl und eine tolle Kommunikation entstehen, wodurch es ständig Neues zu entdecken gibt. Tier- und Pflanzenübungen verhelfen den Kindern, sich auch in diese Bereiche hineinfühlen zu können. So fliegen sie wie ein Adler, gehen wie ein Bär, stehen wie ein Baum, wachsen wie eine Blume ... Wenn man einmal gespürt hat, wie es sich anfühlt eine Pflanze oder ein Tier zu sein, geht man auch wesentlich behutsamer mit der Umwelt um. Dies sind nur kleine Bereiche aus der Vielfalt der Möglichkeiten, die sich durch das Üben mit Qigong eröffnen. Ich wünsche allen viel Freude dabei. 

 

Barbara Günther-Seggl ist Kindergärtnerin und übt sich seit über zwölf Jahren im Qigong, Ausbildung “Qigong mit Kindern” bei Zuzana Sebková-Thaller.

 

Qigong in der Schule – Möglichkeiten und Chancen

Von Christa Schöllhorn und Gabriele Merkel

Nicht erst seit der Pisa-Studie gibt es Klagen von den verschiedensten Seiten über den „katastrophalen Kenntnisstand“ der Schüler und Studenten, über Mängel im Bildungswesen. Mit der Forderung nach Reformen, neuen Lehrplänen, besserer Ausbildung der Pädagogen, Absenkung der Klassenstärken, nach besserer technischer Ausstattung mit Computern und Internet wird versucht, das Problem durch hektische Aktivität im Außen anzugehen.

Die Lehrer auf der anderen Seite klagen über zunehmende Unkonzentriertheit, gestiegene Aggressionsbereitschaft, mangelnde Motivation, sinkende Leistungsbereitschaft, spüren den Druck der Gesellschaft, die von ihnen die Lösung der angesprochenen Probleme erwartet, versuchen Abhilfe zu schaffen durch verstärkte Schulsozialarbeit, Mediation und Ähnliches – alles Möglichkeiten, die sicher ihre Berechtigung haben. Andererseits mögen sie einem als der verzweifelte Versuch erscheinen, an den Symptomen zu arbeiten, während die Krankheit selbst unbehandelt, wenn nicht gar unerkannt bleibt. 

Tatsache ist: Kinder und Schüler sind der Spiegel unserer heutigen Zeit und Gesellschaft, die in ihrer Hektik, ihrem Konsumdenken, stets auf Erfolg, den neuen Reiz, den neuen Kick bedacht, nur noch im Außen lebt, nur noch den Yang-Aspekt betont und das nötige Gegengewicht, das Innen, die Ruhe, die Sammlung, die Yin-Seite vernachlässigt. Wachstum, Expansion, Konsum sind von größter Wertigkeit, ohne zu beachten, dass den Elementen der Sammlung, der Klärung, der Verdichtung die gleiche Bedeutung zukommt, das eine ohne das andere auf Dauer nicht sein kann. 

Und unsere Kinder tun nichts anderes: In dieser Gesellschaft groß geworden, sind sie – umgeben von einer Vielfalt an äußeren Reizen – nicht mehr in der Lage, den notwendigen Ausgleich, innere Ruhe, sich selbst zu finden. Konzentration, Zentrierung der Aufmerksamkeit auf eine bestimmte Sache ist höchstens noch kurzzeitig möglich, zu groß ist die innere Unruhe, die Suche nach dem neuen Kick.

Vor allem ältere Schüler wissen um die Faktoren, die ihnen das Lernen, eine aktive Präsenz erschweren. Bei einem Gespräch in der 10. Klasse kristallisierten sich folgende Punkte heraus, unter denen fast alle mehr oder minder deutlich litten:

  • Müdigkeit, vor allem morgendliche Antriebsschwäche
  • Mangelnde Konzentrationsfähigkeit
  • Mangelndes Durchhaltevermögen
  • Angst vor dem Versagen
  • Einschlafprobleme
  • Körperliche Beschwerden wie Verspannungen im Rücken und Nacken

Unschwer zu erkennen ist dabei, dass sich viele Schüler offenbar mehr oder weniger in einem Teufelskreis befinden. Wer müde ist, kann sich nicht konzentrieren, hält nicht durch, schafft das Pensum nicht, bekommt Angst, schläft daher schlecht, ist am nächsten Morgen müde ... Erwartungen der Eltern und Maßnahmen der Lehrer, die durch verstärkten Druck der fehlenden Motivation nachhelfen wollen, können Ängste noch verstärken. Nicht verwunderlich, dass der Körper mit entsprechenden Symptomen reagiert. Deutlich zum Ausdruck kam im Verlauf des Gespräches die Hilflosigkeit der Schüler im Umgang mit ihren Schwierigkeiten, das Bedürfnis, mit ihren Problemen ernst genommen zu werden und Abhilfe zu schaffen.  

Ermutigt durch unsere Ausbildung “Qigong für Kinder und Jugendliche” beschlossen wir daher, Qigong-Übungen als Hilfe in den Schulalltag einzubauen, mit der Zielrichtung geistige Beruhigung – Stille – Sammlung – Stressabbau – Zentrierung – Erdung – Aktivierung. Diese Elemente sind nicht isoliert zu betrachten, sie sind miteinander verbunden, fließen in unterschiedlicher Betonung und Gewichtung in die einzelnen Übungen ein, je nach aktueller Schulsituation und Verfassung der Schüler. 

Bei den Überlegungen, wann Qigong im Schulalltag eingesetzt werden könnte, fiel uns beiden spontan der Morgenkreis ein. Wir unterrichten an der Freien Katholischen Bodensee-Schule St. Martin in Friedrichshafen, einer Grund-, Haupt- und Werkrealschule in Ganztagesform. Gebunden zwar an die Inhalte des staatlichen Lehrplans ergibt sich dennoch die Möglichkeit, Methoden weitgehend frei zu wählen. Wir arbeiten nach einem eigenen Lehrplan, dem “Marchtaler Plan”, der die traditionelle Gliederung des Lehrstoffes in einzelne Fächer weitgehend aufgibt und stattdessen in vernetzten Unterrichtseinheiten arbeitet, orientiert an der Pädagogik Maria Montessoris, was tägliches freies Arbeiten der Schüler mit einbezieht. Generell herrscht Offenheit gegenüber neuen Methoden und Wegen, den Bedürfnissen der Kinder gerecht zu werden ist ein wichtiges Prinzip. So gehören Morgenkreis und Stilleübungen zum festen Konzept der Schule, aus dem Wunsch heraus, der zunehmenden Ruhelosigkeit und Reizüberflutung der Kinder und Jugendlichen entgegenzuwirken.

Die erste Stunde am Montag, der Morgenkreis, dient der gemeinsamen Begegnung, will einen bewussten Beginn der Woche schaffen. Meditative Übungen, bewusstes Hören mit Klangschale oder geeigneter Musik, Stille Erfahren, sich selbst Spüren auf Reisen durch den eigenen Körper, durch Hand- und Gesichtsmassagen geben den Schülern die Gelegenheit, sich selbst zu erfahren, sich auf sich zu konzentrieren, den Geist zu beruhigen, der durch das vergangene Wochenende meist überreizt ist durch eine Vielfalt von Eindrücken. Vor allem die älteren Schüler lassen sich auch ein auf ganze Übungssequenzen, Übungen im Stehen und Gehen, die ein gutes Gegengewicht zur “Kopflastigkeit” des schulischen Lernens schaffen. 

Im Klassenverband lassen sich Qigong-Übungen erfahrungsgemäß besonders gut einsetzen, da es den Schülern dank der engeren und vertrauensvolleren Beziehung zum Klassenlehrer in der Regel leichter fällt, sich auf Neues, Unbekanntes einzulassen. So lassen sich alle aktivierenden Übungen vom Abklopfen der Meridiane bis hin zu energetisierender “Powergymnastik” hervorragend am Morgen vor der ersten Stunde einsetzen, um der allgemeinen Müdigkeit zu begegnen, aber auch vor Beginn des Nachmittagsunterrichts oder wenn zwischendurch die Energie verbraucht ist. 

Selbst während der Unterrichtsstunden lassen sich kurze Übungen einbauen, die nach konzentrierten Arbeitsphasen den Geist wieder beruhigen, für klare Köpfe sorgen, Konzentration aufbauen. Hier eignen sich gut Fingerspiele, Hand- und Gesichtsmassagen, Dehnungsübungen sowie Übungen, die einen intensiven Kontakt zur Erde herstellen. Viele Übungen lassen sich im Sitzen durchführen, aber auch für Übungen im Stehen lässt sich in einem Klassenzimmer Raum finden. Gute Erfahrungen machen wir beide dabei mit einem akustischen Signal, beispielsweise von einer Klangschale, das Beginn und Ende der Übungsphase markiert.

In ähnlicher Weise lässt sich im Fachunterricht verfahren, auch bei jüngeren Schülern. Hier erreicht man schon eine gewisse “Erdung”, indem man sie zu Beginn der Stunde einfach bewusst sitzen lässt, mit beiden Füßen fest auf der Erde und aufgerichtet. Stehen auf einem Bein, “Unterwassersport”, das heißt in Zeitlupe dargestellten Sportarten, alles, was in Kontakt zur Erde bringt, sind gute Möglichkeiten, unruhige Geister zu beruhigen. Fingerspiele und Gesichtsmassagen bauen Konzentration auf, lenken die Aufmerksamkeit der Schüler immer wieder zu sich selbst zurück, wenn sie sich in Äußerlichkeiten verliert. Im Gegensatz zu älteren Schülern, die um der Sache willen auch bereitwillig klare Anweisungen befolgen, vermag bei den unteren Jahrgängen eine spielerische Verpackung den nötigen Anreiz zum Mittun zu liefern.  

Vor Klassenarbeiten und Prüfungen wird Qigong inzwischen von unseren Schülern gewünscht. Atemübungen dienen dazu, Angst und Befürchtungen loszulassen, Stille und Ruhe zu erfahren beruhigt den Geist und sorgt für einen klaren Kopf, Zentrierungsübungen und Kontakt zur Erde bauen Konzentration und Vertrauen in die eigene Kraft auf. Unsere Schüler schätzen es mittlerweile, dass sie in Prüfungssituationen selbst aktiv werden können, weil sich vieles auch eigenständig anwenden lässt.   

Eine weitere Einsatzmöglichkeit bietet sich an unserer Schule schließlich noch in der Mittagsfreizeit. Hier können sich interessierte Schüler im Rahmen eines Stützpunktangebotes im Klassenzimmer treffen, Übungen unter Anleitung vertiefen, neue erlernen, vor Beginn der Nachmittagszeit zur Ruhe kommen, neue Energie sammeln – in unseren Augen ein wichtiges Angebot für Schüler, die während eines langen hektischen Schultages einen Ausgleich und Stille suchen, um wieder zu sich selbst zu kommen. 

Nach drei Jahren Qigong in der Schule haben wir beide nach anfänglicher Unsicherheit unseren Weg, unsere Möglichkeiten gefunden, erleben uns zunehmend sicherer und unser Umfeld – Kollegen, Schulleitung, Eltern und nicht zuletzt die Schüler – als sehr aufgeschlossen, was diesen Weg betrifft. Unsere Erfahrungen können nur Anregungen bieten, wer mit Qigong in der Schule arbeiten will, muss letztendlich seinen eigenen Weg gehen, für sich Möglichkeiten im Rahmen seiner Gegebenheiten finden, eigene Erfahrungen machen. 

Das Gespräch mit den Schülern, ihre Rückmeldungen, die Versprachlichung ihrer Erfahrungen und Empfindungen sind dabei sehr wichtig. Das Wissen um die Zusammenhänge von Ruhe und Bewegung scheint tief in uns Menschen noch vorhanden zu sein, spürbar in der Suche von immer mehr Menschen nach dem Innen, nach Ruhe und Sammlung. Auch Schüler wissen darum, selbst wenn es dem einen oder anderen am Anfang schwer fällt sich darauf einzulassen. Wir bieten ihnen die Möglichkeit zu neuen Erfahrungen. Und sie machen sie, wie die Äußerungen von Schülern der Klasse 10 zeigen, die seit Schuljahresbeginn mit Qigong-Übungen lernen. 

“Ich finde Qigong gut, denn es entspannt, macht einen fit, munter und es macht Spaß.” 
Alexander, 15

“Ich finde Qigong entspannend. Ich finde, dass man sich durch Qigong besser auf die Schularbeit konzentrieren kann.”
Raphael, 16 

“Ich fühle mich dabei sehr wohl und finde, es hilft einem in mancher Hinsicht. Für mich kommt es darauf an, wie ich mich davor fühle, und dann klappt es leichter oder schwerer. Wenn ich schlecht drauf bin, so richtig zornig, dann hilft es mir, wieder ins Reine zu kommen und meine Mitte zu finden.”
Christopher, 16

“Am Anfang fand ich, dass die Übungen nichts bringen, doch nach einer Weile hat sich mein Körper entspannt und die Übungen taten gut. Durch die Übungen bin ich jeden Morgen nach dem Üben wieder richtig fit.”
Ivan, 16

“Anfangs dachte ich, dass Qigong nichts bringt und fand es komisch. Aber nach ein paar Übungen war es dann ganz anders. Ich habe gemerkt, dass ich wacher bin als vorher.”
Miriam, 15

“Qigong hilft mir ab und zu, meinen Körper besser unter Kontrolle zu haben. Meine Verspannungen im Rücken und in der Schulter sind meiner Meinung nach besser geworden.
Wenn man bei den Übungen die Augen schließen muss, werde ich sehr schnell müde, aber danach bin ich, glaube ich, viel fitter und ausgeglichener. Im Großen und Ganzen ist Qigong eine gute Sache.”
Elodie, 16

“Ich finde Qigong gut. Es ist entspannend und beruhigend. Man kann sich besser konzentrieren im Unterricht.”
Valerie, 16

“Es geht mir gut dabei.
Ich kann mich meistens nach den Übungen besser konzentrieren. Qigong ist für mich eine gute Art der Auflockerung vor und während des Unterrichts.”
Matthias,15

“Also, ich bin jeden Morgen sehr müde. Aber wenn ich am Montagmorgen in die Schule komme, machen wir Qigong. Danach fühle ich mich einfach viel besser und bin wieder wach. Man kann sich auch besser konzentrieren. Mir ist aufgefallen, dass ich danach einfach glücklich bin und es mir einfach gut tut.”
Christiane, 16

“Wenn wir am Morgen die Übungen machen, hilft es mir, den Tag über ruhig zu bleiben. Es hilft mir auch, Verspannungen zu lösen. Ich finde es gut, weil es nicht nur beruhigend und entspannend ist, sondern auch Spaß macht.”
Katharina, 16

Jungen Menschen Erfahrungen dieser Art zu vermitteln, ist mehr als eine Hilfe für akut bestehende Probleme, sondern beinhaltet Chancen, die über die Schulzeit und die schulische Situation hinausreichen. Unsere Schüler sind in dieser Gesellschaft groß geworden und sie werden weiterhin in ihr leben, werden auch weiterhin mit Hektik, Stress, Leistungsdruck, Lärm und Ähnlichem leben müssen. Es ist von immer größerer Bedeutung um Wege zu wissen, wie man zu sich kommen, sich spüren, zur Ruhe, zur Mitte kommen kann, kurz, um Möglichkeiten, die einen Ausgleich zu einer stressenden Umgebung bieten. Wenn Schule auf das Leben vorbereiten soll, dann darf sie sich nicht auf kognitive Wissensvermittlung und das Training von so genannten “Schlüsselqualifikationen” beschränken. Qigong–Übungen vermögen Lernen zu erleichtern wie auch das Lehren. Der Umgang miteinander, die Atmosphäre im Klassenzimmer werden entspannter, menschlicher – und es bleibt die Hoffnung, dass diese Erfahrungen ausstrahlen, die Wertigkeiten in unserer Gesellschaft ein wenig nach innen verschieben.

Christa Schöllhorn und Gabriele Merkel sind Lehrerinnen an einer privaten Grund- und Hauptschule mit Werkrealschule in Ganztagesform und haben die Ausbildung „Qigong mit Kindern“ bei Zuzana Sebková-Thaller absolviert, nachdem sie bereits einige Jahre Qigong für sich selbst praktiziert hatten.

 

Taijiquan mit Kindern

Von Almut Schmitz

Taijiquan wird bisher überwiegend als Beschäftigung für Erwachsene gesehen, die einen Ausgleich zu ihrem stressigen Alltag, eine gesundheitsfördernde Bewegungsweise, eine sanfte Kampfkunst suchen. Das ist auch in seinem Ursprungsland China so, dort lernen Kinder in der Schule oder ihrer Freizeit eher andere schnellere Kampfkünste, es sei denn, sie wachsen in einer der traditionellen Hochburgen des Taijiquan auf. Kinder und Jugendliche können jedoch ebenso von dieser Verbindung aus körpergerechter Bewegung, Aufmerksamkeitsschulung, Kampfkunst und innerer Entwicklung profitieren. Die ungewohnten Bewegungsabläufe schulen die Körperwahrnehmung und die Koordinationsfähigkeit. Ohne Leistungsdruck lernen die Kinder ihren Körper besser kennen und verstehen. Sie erfahren Gleichgewicht und Stabilität, um sich auch im Alltag aus ihrer Mitte heraus bewegen zu können.  

Abgesehen davon, dass der Alltag vieler Jugendlicher nicht weniger anstrengend ist als der von erwerbstätigen Erwachsenen und Verspannungen, Fehlhaltungen und Bewegungseinschränkungen sowie Kopfschmerzen, Verdauungsprobleme und andere stressbedingte Funktionsstörungen bereits in der Schulzeit sehr häufig auftreten, ist auch der Wunsch nach einer sinnvollen Übungsweise, einer ganzheitlichen Entwicklung festzustellen. Taijiquan kann ein interessantes Angebot für Kinder und Jugendliche sein, das sie in ihrer Entwicklung fördert und in der schwierigen Zeit des Erwachsenwerdens Halt vermittelt. Allerdings ist es dafür notwendig, den Unterricht der jeweiligen Altersgruppe entsprechend auszurichten. So wird man kleinere Kinder in spielerischer Weise mit den Bewegungsprinzipien des Taijiquan vertraut machen, während Jugendliche häufig ein reges Interesse an den Ursprüngen und philosophischen Bezügen dieser Kunst haben, so dass man mit ihnen auch gut über ihre theoretischen Hintergründe sprechen kann.

In diesem Neuland sind inzwischen vereinzelte Taijiquan-LehrerInnen zu finden, die auch mit Kindern und Jugendlichen arbeiten. Manche, weil sie selbst Kinder haben, die Interesse am Taijiquan zeigen, andere, weil sie von Haus aus Pädagogen sind oder Erfahrungen mit Kindergruppen aus anderen Bereichen haben, einige, weil sie das, was ihnen selbst gut tut, auch Kindern zugänglich machen möchten. Alle entwickeln dabei ihren eigenen Weg, je nach persönlichen Fähigkeiten, der eigenen Auffassung vom Taijiquan, den bisherigen Erfahrungen mit Kindern sowie den äußeren Rahmenbedingungen des Unterrichts. Dieser kann wie die üblichen Erwachsenengruppen in frei organisierten Kursen oder Schulen stattfinden, in Sportvereinen oder Freizeitzentren, mancherorts gibt es auch Schulen, an denen Taijiquan in den Unterrichtsplan einbezogen oder als Neigungskurs angeboten wird. Von der Ausrichtung her können mal Entspannung und Konzentration im Vordergrund stehen, mal Beweglichkeit und Haltungsschulung oder psychomotorische Förderung, anderswo der Kampfkunstaspekt oder die Integration innerhalb der Gruppe. 

Dadurch, dass Kinder im Taijiquan ihre Kräfte und körperlichen Möglichkeiten erkunden und untereinander ausprobieren können, lernen sie nicht nur viel über sich selbst, sondern auch über den Umgang mit anderen und die Dynamik von Konflikten. Wie es in der Pädagogik heißt: Sie entwickeln soziale Kompetenz. Dies ist bereits ein wesentlicher Bereich der Selbstverteidigung, denn bekanntlich besteht die beste Verteidigung darin, Konflikte zu lösen, bevor sie gewaltsam ausgetragen werden. Daher wird auch damit experimentiert, Elemente aus dem Taijiquan in der Gewaltprävention einzusetzen. 

Die Unterschiede bei den Kinderkursen sind vielleicht noch ausgeprägter als zwischen Kursen für Erwachsene, ohne dass bereits etwas über die Qualität ausgesagt würde. Ausschlaggebend wird letztlich sein, inwieweit das Angebot den Interessen eines Kindes entspricht und wie es mit der Lehrkraft und den anderen Kindern klarkommt. Allerdings sollte man darauf achten, dass es im Kern wirklich um Taijiquan geht und dessen Charakteristiken nicht im Bemühen um „kindgerechten Unterricht“ verloren gehen. Es sollte nicht zu sehr angepasst werden an das, was die Kinder gewohnt sind, denn sein Wert liegt ja gerade darin, dass es sich davon unterscheidet. In einer Zeit, die ein Übermaß an Ablenkung, Aktion und Spannung bietet, kommen die Bedürfnisse nach innerer Ruhe, körpergerechter Bewegung, Entwicklung der eigenen Fähigkeiten und Verbundenheit mit dem Kosmos zu kurz. Kinder und Jugendliche werden oftmals unterschätzt in ihrer Bereitschaft, sich auf ungewohnte Erfahrungen einzulassen, man sollte ihnen daher ruhig die Möglichkeit bieten, etwas Neues kennen zu lernen. Junge Menschen merken oft erstaunlich schnell, was ihnen wirklich gut tut – auch wenn es ihnen vielleicht trotzdem schwer fällt konsequent dabeizubleiben. 

 

"Ich bin nun fünf Jahre beim Taiji und muss sagen, dass es mir immer noch sehr viel Spaß bereitet. Ich lerne sehr viel über Körperbeherrschung und halte dabei meinen Körper fit. Besonders wichtig ist mir, dass der Spaß nicht zu kurz kommt. "
Rupert, 15 Jahre

"Jeden Freitag gehe ich seit vier Jahren in die Taijiquan-Jugendgruppe. Das ist zum Ende der Woche so etwas wie eine Insel für mich, auf der ich mich von den stressigen Momenten und der gehirnorientierten Leistungswelt der vergangenen Woche ausruhe."
"Die Form ist für mich wie ein Tanz, bei dem ich voll und ganz in meinen Bewegungen lebe. Das hilft mir eine gute Balance und das nötige Gleichgewicht zu finden und mich im Alltag besser auf den Augenblick zu konzentrieren."
"Ich versuche jetzt auch, seit ich in der Gruppe bin, bei ganz normalen Entscheidungen mehr auf meine innere Stimme zu hören. Das ist natürlich viel einfacher, wenn ich in meinem Körper zu Hause bin, mich wohl fühle."
"Es geht mir im Taijiquan im Gegensatz zu anderen Sportarten, falls man es überhaupt dazu rechnen kann, nicht darum einen Kampf zu kämpfen oder ein hochgestecktes Ziel zu erreichen, sondern einfach nur darum zu entspannen, in meinen Körper zu spüren und zu lachen ... den Sinn des Ganzen zu erkennen."
Lucia, 15 Jahre

„Ich wollte vor allem den Bereich Meditation für mich erschließen. Dann hat mich auch Taijiquan, die Gymnastik usw. fasziniert. Und die Konzentration auf die Kampfkunst ohne so primitiv wie Karate (Zack-Zack) zu wirken.“
David 

„Taijiquan ist eine Kampfkunst und ich sehe einen Nutzen dahinter. Wenn es notwendig ist, will ich mich damit verteidigen können. Bisher hat es noch keiner versucht.“ 
Gregor 

„Ich wollte einen Sport lernen, der sollte aber nicht nur auf Leistung abzielen. Taijiquan ist für mich eine besondere Art der Bewegung, nicht übertrieben gekünstelt, wie es bei anderen Bewegungsarten häufig der Fall ist.“ 
Christian

„Mich interessierte schon sehr früh die östliche Kultur und ich wollte schon immer eine (ur)alte Kunst lernen. Für mich ist es eine Ehre, das lernen zu dürfen.“
„Die Prinzipien und die Philosophie des Taijiquan lehren mich, beide Beine auf dem Boden zu verwurzeln und dass jede Bewegung aus der Mitte kommt. Das hat mir in meinem Leben noch gefehlt!“
Lucia, 15 Jahre

„Der Reiz etwas zu lernen, was bereits viele große Meister vor mir gelernt und getan haben. Ich möchte darin sehr gut werden.“
Tennessee

„Taijiquan ist mir wichtig für die Selbstverteidigung und die Konzentration. Und das es nicht so fußballmäßig ist. Die Gymnastik und die Beweglichkeit sind mir sehr wichtig.“ 
David